Beurteilungskriterien für Dielektrika
Allgemein ist zu sagen, dass es nicht schwierig ist, ein Produkt zu entwickeln, das in dem einen oder anderen Kriterium hervorragende Ergebnisse erzielt. Wichtig ist jedoch, dass das eingesetzte Produkt möglichst in allen Bereichen ein Optimum erzielt; z.B. lassen sich Produkte entwickeln, die ein höchstes mechanisches Leistungsverhalten besitzen und hervorragende Abtrags- und Verschleißresul-tate erzielen, andererseits aus physiologischen Gründen nicht einsetzbar sind oder Maschinen-bauteile auffressen.
Hygienische Kriterien:
Bereits heute und sicher noch stärker in der Zukunft, gewinnen die hygienischen Aspekte bei der Verwendung von Kohlenwasserstoffverbindungen als Arbeitsflüssigkeiten mehr und mehr an Bedeutung. Geruch, Rauchbildung und Hautverträglichkeit bestimmen weitgehend die Arbeitsbedingungen an der Erosionsanlage.
Hautverträglichkeit:
Grundsätzlich sind Produkte, die aufgrund ihres hohen Reinheitsgrades dermatologisch unbedenklich sind, anderen vorzuziehen. Diese Produkte sollen möglichst aus vollständig gesättigten Kohlenwasserstoffverbindungen bestehen und einen möglichst geringen Aromatengehalt aufweisen. Ein Aromatengehalt von unter 1 Volumenprozent ist wünschenswert. Bei Kohlenwasserstoffen der Normalparaffinreihe von C12 bis C14 tritt gern das Phänomen der Hautreizungen auf. Normalparaffine in diesem Bereich sollten nicht eingesetzt werden. Wenn möglich, sollten nur Produkte verwendet werden, deren dermatologische Unbedenklichkeit durch neutrale medizinische Gutachten nachgewiesen wird.
Toxizität (Giftigkeit):
Ein geringer Aromatengehalt eines ungebrauchten Produktes ist jedoch letztlich nicht allein maßgebend für dessen Qualität. Wesentlich wichtiger ist die genaue Kenntnis der Anfälligkeit zur Bildung von Aromaten durch den Erosionsprozess (Alterungsstabilität). Selbst nach längerem Gebrauch des Dielektrikums dürfen sich keine polyzyklischen Aromaten, z.B. Benzpyrene, bilden, die heute zu den Krebserregern gezählt werden.
Rauchbildung:
Die Rauchbildung beim Erodieren wird durch die verschieden großen Abtragsraten stark beeinflußt. Dünnflüssige Dielektrika besitzen in der Regel eine geringere Rauchbildung als dickflüssige. Je höher die Erodierstelle vom Dielektrikum überspült wird, desto geringer ist auch die Rauchbildung. (Nach der VDI-Richtlinie 3402 ist eine Mindestüberdeckung von 40 mm vorgeschrieben.) Grundsätzlich sollte an einer Erosionsanlage ein Rauchgasabzug angebracht sein, wenn die Anlage nicht ausschließlich im Feinbereich eingesetzt wird.
Geruch:
Das ungebrauchte Dielektrikum sollte nichtriechend sein und auch bei Erwärmung keinen Geruch verursachen. Nach längerem Arbeiten mit dem Dielektrikum ist ein leichter Ozongeruch, der auf die elektrischen Entladungen zurückzuführen ist, üblich. Oft deutet auch ein saurer, stechender Geruch darauf hin, dass das Dielektrikum ausgetauscht werden sollte.
Flammpunkt (DIN 51755):
Als Flammpunkt gilt die niedrigste Temperatur, bei der sich Dämpfe des Dielektrikums in solcher Menge entwickeln, dass in einer genormten Apparatur ein durch Fremdzündung entflammbares Dampf-Luftgemisch entsteht. Je höher der Flammpunkt, desto sicherer ist der Umgang mit dem Dielektrikum. Nach dem Flammpunkt erfolgt auch die Einteilung der Dielektrika in Gefahrenklassen.
Gefahrenklasse:
A I bis 21° C, z. B. Benzin
A II 21 – 55° C, z. B. Petroleum, Testbenzin
A III 55 – 100° C, z. B. Diesel, Heizöl-EL
Die VbF (Verordnung über brennbare Flüssigkeiten) wurde in Deutschland durch die Betriebssicherheitsverordnung am 02.10.2002 ersetzt, wird hier aber noch angegeben, da die VbF-Gefahrenklassen noch allseits bekannt sind und verwendet werden. Aufgrund der VDI-Richtlinie 3402 sind Stoffe mit einem Flammpunkt von unter 21° C für den Betrieb in Funkenerosionsanlagen nicht zugelassen. Zu beachten ist auch, dass Petroleum und Testbenzin meist noch unter die Gefahrenklasse A II fallen und daher besondere Sicherheitsvorschriften erfüllt sein müssen. Der überwiegende Teil der z. Z. eingesetzten Dielektrika fällt unter die Gefahrenklasse A III. Dielektrika mit einem Flammpunkt von über 100° C fallen im Sinne der Verordnung für brennbare Flüssigkeiten nicht mehr unter brennbare Stoffe. Für sie sind daher keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Zur Bestimmung der Flammpunkte flüssiger Stoffe im Sinne der Arbeitsstoffverordnung muss der Flammpunkt für Temperaturen bis 50° C mit dem Gerät nach Abel-Pensky und für Temperaturen von mehr als 50° C mit dem Gerät nach Pensky-Martens (Flp. PM) gemessen werden. Eine Messung des Flammpunktes durch Apparate mit offenen Tiegeln (o.c. = open cup), z.B. Gerät nach Cleveland, ist nicht zulässig.
Dichte (DIN 51757):
Der Einfluß der Dichte des Dielektrikums ist im Schlichtbereich ausgeprägter als im Schruppbereich, unabhängig von der Viskosität. „Schwere“ Produkte erweisen sich als abtragsintensiver. Die Dichte eines Stoffes ist der Quotient aus seiner Masse und aus seinem Volumen (die übliche Beziehungstemperatur beträgt 15° C). Heute übliche Dielektrika besitzen eine Dichte von 0,750 – 0,820 g/ml. Je kürzer die Kohlenwasserstoffketten sind, desto geringer ist in der Regel das spezifische Gewicht. Änderungen des spezifischen Gewichtes zwischen gebrauchtem und ungebrauchtem Dielektrikum zeigen an, ob fremde Bestandteile, z.B. Hydrauliköl, in das Dielektrikum gelangt sind. Bei einem Dielektrikum, das durch Mischung unterschiedlicher Fraktionen hergestellt wurde, kann man bei einem Anstieg der Dichte erkennen, in welchem Umfang die leichtflüchtigen Bestandteile verdampft sind. Die Überprüfung der Dichte kann sehr leicht mit einem Aräometer (Spindel) erfolgen. Es handelt sich dabei um einen Schwimmkörper aus Glas mit einer Skala für Dichte (0,001 Einheiten), der gleichzeitig ein Thermometer enthält.
Verdunstungszahl (DIN 53170):
Die Verdunstungszahl (VD) ist der Quotient aus der Verdunstungszeit für das zu prüfende Dielektrikum und für Äther. Dielektrika für den Feinschlichtbereich sollten eine Verdunstungszahl von 500 – 1000 aufweisen. Stoffe, die schneller verdunsten, z.B. Petroleum VD 260, sind aus wirtschaftlichen Überlegungen als Dielektrikum nicht geeignet.
Viskosität (Zähigkeit) (DIN 51562):
Die Viskosität ist die Eigenschaft einer Flüssigkeit, der gegenseitigen Verschiebung zweier benachbarter Schichten einen Widerstand entgegenzusetzen. Die physikalische Maßeinheit der dynamischenViskosität ist die Pascalsekunde. Ein mPa.s entspricht dem Centipoise (cP). Das Verhältnis der dynamischen Viskosität zur Dichte wird als kinematische Viskosität bezeichnet. Die Einheit ist das Quadratmeter pro Sekunde (m2/s). Dem Centistoke (cSt) entspricht 1 mm2/s. Bei dünnflüssigen Dielektrika wird die Viskosität in der Regel bei 20°C gemessen. Für den Einsatz im Feinschlichtbereich sind Dielektrika von 2 bis 3,5 cSt bei 20°C gut geeignet. Für Schrupparbeiten eignen sich Dielektrika von 4 bis 6,5 cSt bei 20° C. Dielektrika, die durch Mischung von zwei verschiedenen viskosen Fraktionen hergestellt sind, haben den Nachteil dass die leichtflüchtigen, niedrigviskosen Anteile schneller verdampfen und nach längerer Gebrauchsdauer ein Dielektrikum übrigbleibt, das höher viskos ist als das ursprüngliche Einsatzprodukt und nur noch Schrupparbeiten zulässt. Die Oberflächenrauheit der bearbeiteten Werkstücke ist ebenfalls von der Viskosität abhängig. So ermöglichen dünnflüssige Dielektrika einen kleinen Funkenspalt und damit eine kleine Rauheit. Beim Einsatz von dickflüssigen Dielektrika benötigt man, um Spülschwierigkeiten zu vermeiden, einen großen Funkenspalt. Daher ist auch die Rauheit der bearbeiteten Werkstücke größer (siehe Bild 1).
Elektrische Leitfähigkeit:
Die elektrische Leitfähigkeit ist gleich dem reziproken Wert des elektrischen Widerstandes. Die Einheit ist das Siemens. Die Messung erfolgt mit einer Leitfähigkeits-Wechselstrom-Messbrücke nach dem Prinzip der Wheatstoneschen Brücke bei Frequenzen von 50 oder 3000 Hertz. Dielektrische Arbeitsflüssigkeiten auf Kohlenwasserstoffbasis besitzen in ungebrauchter Form einen Leitwert von ca. 2x10-14 Ohm x cm-1.
Dielektrizitätskonstante (DIN 53483):
Die relative Dielektrizitätskonstante (DK) eines Dielektrikums gibt an, um welchen Faktor die Kapazität eines Kondensators bei der Einbringung des Dielektrikums gegenüber der Vakuumkapazität des Kondensators erhöht wird. Die Messung erfolgt mit Hilfe eines (Dielektrizitätskonstante)-DKMeters. Durch Einsetzen in einen hochfrequenten Schwingkreis wird die Kapazität des mit dem Dielektrikum gefüllten und des leeren Kondensators bestimmt. Der Quotient aus den beiden Werten ist die relative Dielektrizitätskonstante. Ein für die Funkenerosion geeignetes Dielektrikum sollte eine Dielektrizitätskonstante von 2 – 2,5 aufweisen.
Stromstärke
In Abhängigkeit des eingesetzten oelheld-Dielektrikas können Stromstärken von bis zu 1.200 Ampere realisiert werden.
Durchschlagsspannung (DIN 53481/VDE 0303):
Die Durchschlagsspannung ist die Spannung, bei der eine Dielektrikumsschicht von 2,5 mm Dicke, die sich zwischen zwei Kugelkalottenelektroden befindet, durchschlagen wird. Gute Dielektrika sollten im Neuzustand eine Durchschlagsspannung von 50 – 60 KV erreichen. Dabei ist zu beachten, dass geringste Feuchtigkeitsbeimischungen, z.B. Kondenswasser, diesen Wert nachteilig beeinflussen.
Schlammtragevermögen:
Die beim Erodieren entstehenden Abtragspartikel von Werkstück und Elektrode sowie die durch den elektrischen Funken entstehenden Kohlepartikel stellen Verunreinigungen des Arbeitsmediums dar. Das Dielektrikum muss diese Teilchen aus der Arbeitszone transportieren. Dazu ist ein ausreichendes Schlammtragevermögen erforderlich. Die Schlammtragefähigkeit darf jedoch nicht zu groß sein, da sich sonst beim Filtrieren die Verunreinigungen nicht vom Dielektrikum trennen lassen. Zu starke Verunreinigungen bringen Kurzschlußreaktionen. Andererseits arbeitet ein Dielektrikum erst optimal, wenn geringe Mikropartikel, die die lonisation begünstigen, im Dielektrikum enthalten sind. Diese Mikropartikel können auch zur Verbesserung des Anfangserodierverhaltens durch Additive künstlich in das Dielektrikum gebracht werden.
Verträglichkeit mit Anlagenkomponenten:
Die dielektrischen Arbeitsflüssigkeiten sollen sich gegenüber Maschinenbauteilen, z.B. Dichtungsmaterialien, Schläuchen, Behälterlackierungen, die mit ihnen in Berührung kommen, neutral verhalten. Ein Aufquellen, Schrumpfen oder Auflösen dieser Materialien darf nicht erfolgen.
Alterungsbeständigkeit:
Für die Wirtschaftlichkeit von Dielektrika ist die Alterungsbeständigkeit von großer Bedeutung. Je länger ein Produkt eingesetzt werden kann, desto günstiger ist das Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei normalem Erodierbetrieb kann das Dielektrikum bei idealer Filtration langfristig eingesetzt werden. Beim Gebrauch in Mikrofilteranlagen sind heute bereits Einsatzzeiten von bis zu 25 Jahren bekannt, ohne dass das Dielektrikum ausgetauscht wurde. In diesen Fällen wurde jeweils nur nach Bedarf frische Ware nachgefüllt. Neben der Bestimmung der Alterung über die Infrarotspektralanalyse hat sich bis heute die Methode der Bestimmung der Neutralisationszahl (NZ/DIN 52558) als sehr zuverlässig erwiesen. Dielektrika mit einer Neutralisationszahl von über 1 mg/KOH/g sollen möglichst bald ausgetauscht werden.
Qualität - Verfügbarkeit:
Die Qualität der Dielektrika muss von den Herstellern über einen ausreichenden Zeitraum garantiert werden. Es sollte auch sichergestellt werden, dass die Qualität eines bestimmten Dielektrikums in all den Ländern gleich ist, in denen es unter derselben Bezeichnung angeboten wird. Dielektrische Arbeitsflüssigkeiten sollten mengenmäßig, geographisch und zeitlich möglichst schnell entsprechend den Erfordernissen geliefert werden können.
Preise:
Bei einem Preisvergleich müssen alle diese Beurteilungskriterien berücksichtigt werden, denn oft ist das zunächst billigste Dielektrikum beim Langzeiteinsatz das Teuerste.